EBERHARD DÄNZER

 Dr. Faustus mit FachwerkhausDr. Faustus im WinterDr. Faust und Gretchen
 
„Eberhard Dänzer

(1935-2008) – ein gesellschaftskritischer Künstler.“

Zur Ausstellung vom 2. – 31. März 2013 in Marburg, Galleria Bruno P., Brüder Grimmstube, Markt 23.

Gefördert vom 

Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und dem Kulturamt Marburg.

Erarbeitet, konzipiert und realisiert von Dr. Ilina Fach im Auftrag des Vereins „Kulturhorizonte e.V.“Dr. Faust, Teufel und Engel

Ich begrüße alle Anwesenden und freue mich sehr, dass Sie zur Vernissage von Werken Eberhard Dänzers gekommen sind. Zunächst möchte der Verein Kulturhorizonte der GaThomas Mann, Dr. Faustuslerie Bruno für die Gelegenheit, hier ausstellen zu können, danken, und auch allen Sponsoren, welche die Ausstellung ermöglicht haben, wie dem Kulturamt der Stadt Marburg und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Eberhard Rüdiger Dänzer oder Ebo, wie ihn seine Freunde nannten, wurde am 8.2.1935 in Göttingen geboren, wuchs aber in Ansbach/Franken auf. Sein Leben lang verband ihn seine Liebe zur fränkischen Landschaft. Das machte sich später in einigen seiner Landschaften bemerkbar. Sein Vater Hans Dänzer war ein viel belesener Orientalist, seine Mutter eine Hausfrau. Vom Vater, den Eberhard sehr verehrte, haben wir eine Radierplatte in der Ausstellung als Beispiel für Dänzers Radiertechnik. Ein sensibles Selbstporträt steht als Faksimile daneben. 1958 erhielt er aufgrund seiner Aquatinta-Graphiken den „Kunstpreis der Jugend“, Baden-Württemberg, 1962 (?) und 1966 ein Ostberliner Stipendium für Graphiktechniken. Nach vielen Ausstellungen im In- und Ausland starb Eberhard Dänzer am 12.12.2008 im Alter von 73 Jahren.

Nach seinem Tod beschlossen seine Freunde, zur Erinnerung an sein gesellschaftskritisches Werk eine Stele in Karlsruhe aufzustellen. Wenn Sie nach Genuss der Ausstellung zu diesem Projekt beitragen möchten, so können Sie seine Kunstwerke erwerben.


 

Was zeichnete Eberhard Dänzer als Mensch und Künstler aus?

- Lehrjahre und Existenz ohne soziales Netz

Er hatte die Fähigkeit, dort nein zu sagen, wo eine Anpassung an gesellschaftliche Normen ihm das Leben erleichtert hätten, die aber seine Freiheit, sich auszudrücken, unterdrückt hätten. Obwohl er Kunst und Germanistik von 1954/55 in München, und von 1956 bis1961 in Karlsruhe für das Lehrfach studiert, das 1. Staatsexamen gemacht und gelehrt hatte und auch in der DDR die Möglichkeit gehabt hätte, am Bauhaus in Weimar als Professor zu lehren, zog er es vor, sich nicht an eine Institution anzupassen, sondern künftig als freier Künstler in Karlsruhe zu wirken mit der Konsequenz, dass er auf eine gesicherte Existenz zugunsten einer unsicheren verzichtete. Als er auf eine Karriere verzichtete, unterstützte ihn auch sein Vater nicht mehr, so dass er während seines Studiums bereits nach Ausstellungen sich um potentielle Kunden kümmerte, diese zu Hause aufsuchte und ihnen seine Kunstwerke anbot. Zuweilen kaufte dann der eine oder andere   Elisabeth Tailor als Gretchenein Bild.

Diese Generation der Künstler hatte nicht die Möglichkeit, ihr Leben über die Künstlersozialkasse im Krankheitsfall oder in Hinblick auf eine Rente zu versichern. So bezog Eberhard Dänzer sein Leben lang weder eine Rente, noch hatte er eine Krankenversicherung. Er war zu stolz, um vom Sozialamt Geld zu nehmen, obwohl er es in den letzten vier Jahren dringend gebraucht hätte. 

Er wählte bewusst Karl Hubbuch (21.11.1891-26.12.1979) als seinen Lehrer. Später hat er ihn in seinem Atelier fotografiert (eines der wenigen Fotos von Karl Hubbuch). Hubbuch hatte sich nicht dem Faschismus angedient, wurde 1933 von seinem Amt als Professor entlassen, musste als Hilfsarbeiter in einer Majolika-Fabrik arbeiten, verlor seine jüdische Ehefrau, die fliehen musste, und hatte erst 1947/48 die Möglichkeit, wieder als Professor an der Akademie in Karlsruhe ins Amt gesetzt zu werden. Eine solche integere Persönlichkeit wollte Eberhard Dänzer als Vorbild haben. Er wurde sein Meisterschüler und Freund, blieb aber nicht bei der neusachlichen Darstellungsweise seines Lehrers, sondern entwickelte seinen eigenen, am Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus und an der Neuen Sachlichkeit und Spätimpressionismus orientierten Stil. 

Sein zweiter Lehrer war der Expressionist Erich Heckel (31.7.1883-27.1.1970), der wegen Querelen zunächst mit HAP Grieshaber, später mit Georg Meistermann an der Karlsruher Akademie nur von 1959-1962 wirkte. 

Der dritte Künstler war Emil Wachter (29.4.1921-12.9.2012), ein Glaskünstler, mit dem sich Eberhard Dänzer befreundete. Dessen Einfluss machte sich besonders in späteren Jahren bemerkbar machte, als Dänzer seine Druckmaschine nicht mehr hatte und einige Drucker gestorben waren. Zwei der Drucker zeigen wir, den einen in einem sensiblen Bleistiftporträt, eine Vorzeichnung für eine Radierung, den anderen als Foto zusammen mit dem Künstler vor der Druckmaschine. 

Damit Sie die Technik der Glaskunst erkennen können, haben wir eine Vorzeichnung für den Glaser in die Vitrine aufgenommen und dazu ein Foto, das den Glaser und Linoschnitteden Künstler präsentiert.   Glaskunst  

Mit Glasgemälden war Eberhard Dänzer sehr erfolgreich. Das Foto einer Glaswand in der Badischen Versicherungsanstalt in Karlsruhe haben wir als Beispiel in der Vitrine ausgestellt. 

- Zur Vielseitigkeit des Künstlers

Eberhard Dänzer war vielseitig. Seine Themen reichten von aktueller Gesellschaftskritik, Porträts, Mythologie, Poesie, Landschaften bis Stilleben. Die Themen gestaltete er teilweise gleichzeitig in Öl und in einer der graphischen Techniken, teilweise schuf er gleichzeitig in verschiedenen Gattungen unterschiedliche Themen. Viele seiner Ölgemälde sind sehr großformatig, so dass sie in einem kleinen Raum zusammen mit den Graphiken nicht ausgestellt werden könnten. Deshalb haben wir zwei Rundformate als Beispiele für seine Landschaften und Porträts („Schlamperle“) in die Vitrine aufgenommen, die in Privatbesitz sind. Ein sensibles Ölporträt entstand zur Frau seines Freundes Otto. Wir fanden ein Foto davon in seinem Nachlass, das hier ausgestellt wird. 

- Kombination von Literatur und Kunst in Kalendern als Besonderheit

Dänzer kritisierte nicht nur den herkömmlichen Bildungsbetrieb, weshalb er nicht Lehrer werden wollte, sondern hatte auch eine soziales Verhältnis zu seinen Mitmenschen. Er war humorvoll und warmherzig, setzte sich uneigennützig für das Fortkommen von anderen ein und engagierte sich in der Zeit des Kalten Krieges als Dr. Faust und Teufelgesellschaftskritischer 

Künstler gegen den Krieg, gegen Neonazis und die atomare Bewaffnung. Darüber hinaus befasste er sich intensiv mit literarischen Erzeugnissen, etwa von Shakespeare, Villon, Goethe, Büchner, Brecht und Kafka. Sein gutes Literaturverständnis zeigt sich insbesondere auf den von uns ausgestellten Original-Kalenderblättern, die er von 1967-2006 schuf und die sehr bekannt geworden sind. Sowohl zum Urstoff des Dr. Faustus wie zu Goethes und Thomas Manns Dr. Faustus hat Dänzer Graphiken geschaffen. 

- Gesellschaftskritische Haltung: gegen Konkurrenzgesellschaft, gegen den Verzicht von Denkmalschutz zugunsten von Modernisierung und Autowahn

Eberhard Dänzer erhielt zwei Mal, 1962 (?) und 1966, ein Stipendium nach Ost-Berlin, wo er mit dem Kreis um Bert Brecht in Kontakt kam. Dänzer verbildlichte nicht einfach nur einen Text von Brecht, sondern holte sich aus der ganzen Kunstgeschichte, insbesondere von Bosch, Brueghel und aus der manieristischen Kunst Bildgedanken, die er dialektisch in moderner Auffassung kombinierte, etwa den Haifischmann, der einen Fernseher mit schwimmenden Fischen hochhält, auf dem ein ausgenommener Fisch mit Zitrone im Maul steht, Symbole für das Sprichwort: Ein großer Fisch frisst einen kleinen (bei Brueghel). Dieses Symbol wird bei Dänzer zum Signum unserer Konkurrenzgesellschaft. Wir haben ein Foto seines Freundes Tscheussner dessen Publikation beigelegt, zu der Dänzer Graphiken anfertigte. Zusätzlich gibt es einige Graphiken auf Büchern. Sein großes kunsthistorisches Wissen fußte auf Franz Sepp Würtenbergers Vorlesungen und Seminaren insbesondere zum „Manierismus“. 

Eberhard Dänzer durchschaute politische und wirtschaftliche Zusammenhänge und konnte sie durch Bezug auf Symbole und Karikaturen von Politikern ironisch blos stellen. Diese Fähigkeit machte sich auch dort bemerkbar, wo er die Medienwelt, die Warenwelt und den Autobahnwahn oder die Übergehung des Denkmalschutzes zugunsten von Investoren ins Bild setzte. Sein Sinn für Gerechtigkeit und Humor führten dazu, dass er keinen von Spott ausnahm. 

Als die Mauer in Berlin fiel, nahm er die Bananen als Symbol für die unerfüllten Wünsche der Ostdeutschen, deren Umweltsünden, den bröckelnden Stern als Symbol für den Niedergang des Sozialismus aus eigenen Fehlern heraus  und ein überdimensionales Microphon als Symbol für das Medieninteresse des Westens oder eine Hand, die einen Menschen am Fuß zu sich zieht anstelle einer gleichberechtigten Handschlags als Symbol dafür, die DDR an die BRD anzuschließen, ohne deren positive Errungenschaften (polytechnisches Bildungssystem, Kindergärten, Recyclingsystem) zu übernehmen. Seine sozial-emotionale Kompetenz machte sich dort bemerkbar, wo er etwa romantisch die langsam verfallende Fachwerkarchitektur liebevoll in Graphiken für die Nachwelt bewahrte. 

Er hatte ein ausgesprochenes Feingefühl für die Sprache und feilte an Texten, wie es nur solchen Menschen zu eigen ist, die sich des Wertes der Literatur und dessen bewusst sind, was sie ausdrücken möchten. Gleichzeitig sprach er im Alltag seinen fränkischen Dialekt und schuf Bilder zum „Ansbacher Wörterbuch“. 

- Kein Andienen an den Kunstmarkt – kein Etablierter

Einerseits stand seine sozialkritische, gegen Kapitaleigner, -Manager oder gegen undemokratische Praktiken von Politikern gerichtete Haltung einer Zurichtung auf Marktbedürfnisse entgegen und im Weg. Sie war nicht gefällig, saß zwischen allen Stühlen und der Künstler bewahrte auf diese Weise seine Unabhängigkeit. Denn jeder autonome Künstler ist frei im doppelten Sinne: frei, eigene Ideen umzusetzen, und frei von Aufträgen zu sein. Warum er nicht in Ostberlin geblieben ist und kein Staatskünstler wurde, kann vielleicht sein Freund Norbert Koch beantworten. 

Ich denke, Ebo hätte persönlich wohl einen Manager gebraucht, der seine Werke hätte vermarkten müssen, wie das HAP Grieshaber oder sein Schüler Horst Antes hatten. Beide Künstler konnten für den Vertrieb ihrer Werke Manager bezahlen. Horst Antes hatte z.B. 100.000 € geerbt und dieses Erbe u.a. dazu verwendet. Er wusste bereits damals, dass es einer eigentümlichen, menschlichen Figur im Halbprofil ohne Arme mit Klumpfuß bedurfte, um immer wieder erkannt zu werden. HAP Grieshaber (15.9.1909-12.3.1981) verfügte als Lehrender über genügend Geld. Aber im Unterschied zu anderen Lehrkräften unterrichtete er als Gewerkschafter seine Schüler in kaufmännischen Dingen. Er wusste, dass sich die meisten Künstler von ihrer Kunst nicht ernähren können, nur etwa 5 % vom Kunstmarkt hochgespült werden. Viele müssen sachfremde Tätigkeiten ausführen, die ihr Überleben garantiert, oder eine Frau heiraten, die sie mit ernähren kann. Grieshaber wusste auch, aufgrund welcher Ausstellungsmechanismen Künstler berühmt werden konnten. 

Das geschah in der Zeit des Kalten Krieges, wie ich an Hand der Ruhrfestspiele erforscht habe, z.B. dadurch, dass Werke zuerst beim „jungen westen“, dann bei den „Ruhrfestspielen“ gezeigt und anschließend national und international weitergereicht wurden und bei der „documenta“ erschienen. Manche kamen auch erst von international renommierten Museen moderner Kunst, wie jenen aus Stockholm oder Amsterdam. Da diese Werke dort zu sehen waren, wurden sie anschließend von bundesdeutschen Ausstellungshäusern übernommen. Die Berühmtheit eines Künstlers hing und hängt nicht allein von dessen Können ab, sondern vielfacBrecht, III. Choralh davon, ob und wie jemand sie fördert. 

- Die sog. „verlorene Generation“ und ihre Schüler

Eberhard Dänzer war als Künstler sehr konzentriert, wenn er etwas kreierte, wie wir das auf dem Photo von ihm als jungem Mann an der Leinwand sehen können. Seine Kunst ist meines Erachtens von der Qualität vergleichbar mit der eines Dix, Grosz oder HAP Grieshaber. Aber er gehörte zur Schülergeneration der sog. „verlorenen Generation“, wie sie Karl Hubbuch darstellte. Diese Generation war entweder zu jung, um in der Weimarer Republik erfolgreich zu sein, wie Eberhard Dänzer, oder, wenn sie als Professoren wirkten, so verloren sie aufgrund ihrer antifaschistischen Haltung  ihre Stellung. Sie konnten nach 1945 wieder ihre Werke nicht verkaufen, selbst wenn sie – wie Karl Hubbuch – wieder ihre Professur erhielten. Der Kunstmarkt setzte den illusionistischen Naturalismus der Nationalsozialisten mit dem gesellschaftskritischen Realismus, Verismus und Neuer Sachlichkeit gleich. Denn damit konnte die Kritik an den wieder zu Ehren gekommenen ehemaligen Trägern des Nationalsozialismus übergangen werden und stattdessen die abstrakte Kunst ideologisch als Kunst des „freien Westens“ gefördert werden. 

- Ordnung und Spontaneität

Wie vielen kreativen Menschen lag Ebo nicht viel an der Ordnung für die Nachwelt. Als eine Freundin ihn dazu bewegen wollte, dass er seine Graphiken innerhalb von einer Stunde signieren sollte, während sie etwas für beide kochen wollte, war sie nach einer Stunde fertig, er hatte gerade drei Graphiken unterzeichnet und meinte: „Weischt was, jetzt fahre mer ins Elsass und esse dort.“  Welche Persönlichkeit Eberhard Dänzer hatte und mit welchen zeitgenössischen Künstlern und Literaten er in Kontakt kam, dazu kann sein langjähriger Freund, Norbert Koch, viel mehr sagen. An ihn möchte ich nach einer kleinen musikalischen Einlage meine Ausführungen weiterreichen. 

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